Vorwort

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Prof. Dr. med. Arne May

Als ich als Assistenzarzt anfing, mich für Cluster Kopfschmerz und verwandte Kopfschmerzarten zu interessieren, gab es sicherlich schon einiges darüber zu wissen. Aber kaum einer wusste wirklich etwas (von mir mal ganz zu schweigen), und nur wenige Pioniere kümmerten sich um diese „Randgebiete der Neurologie“.

Seit dem Aufkommen der funktionellen Bildgebung und der Entdeckung des Gehirns als eigentlichem Taktgeber dieser Attacken hat sich das Bild drastisch geändert: Seitdem Mediziner wissen, woher der Cluster Kopfschmerz kommt und seitdem es Medikamente gibt, die eine gewisse Wirkung zeigen, trauen sich Ärzte häufiger, die richtige (oder überhaupt eine) Diagnose zu stellen. Wir Menschen sind so: Wenn wir keine Ahnung haben, wie etwas funktioniert, bleibt alles im Unbestimmten und im Nebel und am besten kümmert man sich nicht darum. Dann entstehen Hilfsdiagnosen (wird schon eine Migräne sein), Neglect (so schlimm kann es doch nicht sein) und Mythen (alles wegen der Psyche). Seitdem wir wissen, wie Cluster Kopfschmerz funktioniert, sind Ärzte eher bereit, die Diagnose in Betracht zu ziehen und werden den Patienten eher gerecht als früher. Aber ist das die ganze Wahrheit? Woher kommt das Wissen, und wer gibt es weiter?

Früher gehörte zur Rollenverteilung, dass der Patient zum Arzt geht, um die richtige Diagnose zu bekommen. Für Cluster Kopfschmerz ändert sich das Bild in letzter Zeit: Immer mehr Betroffene gehen zum Arzt, um sich bestätigen zu lassen, dass sie tatsächlich an einem Cluster Kopfschmerz leiden, weil sie das im Netz gelesen haben. Nun wird im Netz viel veröffentlicht, und es ist schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Insofern ist das Buch eine exzellente Sammlung gut recherchierter und umfassender Artikel. Als Wissenschaftler (oder Arzt) würde ich vielleicht manche Dinge anders schreiben oder anders gewichten, aber in toto handelt es sich um eine bemerkenswert gute Zusammenstellung des Wissens über Cluster Kopfschmerz. Ich ziehe den Hut vor den Autoren! Wenn Ärzte mehr wüssten von dem, was hier zusammengetragen wurde, ginge es zweifellos vielen Betroffenen besser als bislang. Es ist eine wunderbare Möglichkeit, das Wissen aus der Forschung in die klinische Praxis zu bringen, und sei es über dem Umweg des Patienten zum Arzt. Hinter allem steht der Grundgedanke, den ich schon immer jedem Patienten ans Herz lege: Werde der Experte für Deine eigene Erkrankung! Und nehmt den Ärzten nicht übel, wenn nicht jeder alles über eine Erkrankung weiß, die 0.1% der Bevölkerung betrifft. Denn Kopfschmerz ist nur ein Teil aller Schmerzen, umfasst über 200 mögliche Kopfschmerzdiagnosen und kann für einen Internisten oder Allgemeinmediziner (die sich ja eigentlich um 1000 andere Erkrankungen kümmern) schon mal eine Herausforderung darstellen.

Zu diesem Thema gibt es zwei Phänomene in Deutschland: Obwohl wir mit zur Weltspitze in der Erforschung von Schmerz und Kopfschmerzen gehören, brauchen diese Erkenntnisse Jahre, um bis in die tägliche Praxis vorzudringen. Und zweitens gehört die Schmerzbehandlung in vielen Kliniken nicht zu den alltäglichen Tätigkeiten in der Patientenversorgung. Nach wie vor ist Schmerz(therapie) nicht zwangsläufig Teil der klinischen Ausbildung, von der Kopfschmerztherapie ganz zu schweigen. In der Regel verfügen lediglich spezielle Zentren über Schmerzambulanzen, so dass sich dem Arzt in der Facharztausbildung nur selten die Möglichkeit einer Fortbildung auf dem komplexen Gebiet der Schmerztherapie bietet. Wenn wir Betroffenen mit Cluster Kopfschmerz wirklich gerecht werden wollen, brauchen wir eine bessere Ausbildung der Mediziner, mehr Wissen und einen schnelleren Wissenstransfer in die Praxis. Die hier vorliegende Sammlung an Wissen kann ich jedem Betroffenen, jedem Arzt und jedem Forscher ans Herz legen.

Dieses Buch gibt vor allem auch Hoffnung: Es gibt heute wahnsinnig viel über Cluster Kopfschmerz zu wissen. Wir können schon heute so viel mehr Betroffenen helfen als früher, die Zukunft wird, wenn es so weitergeht, sogar noch besser sein. Ich schätze mich glücklich, eine Kopfschmerzerkrankung zu untersuchen und zu behandeln, bei der mir soviel bunte Charaktere, Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit für Forschung entgegenschlägt. Dieses Buch wird wachsen und gehört von jedem gelesen, der sich mit Cluster Kopfschmerz beschäftigt.

Arne May


Professor Dr. med. Arne May ist Leiter der Kopfschmerzambulanz der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), stellvertretender Direktor des UKE Instituts für Systemische Neurowissenschaften.

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