Ketotifen ist ein Medikament zur Vorbeugung und Behandlung von allergischen Beschwerden. Es ist zugelassen zur Behandlung von allergischem Schnupfen und von allergischen Hauterkrankungen, sowie zur Vorbeugung von asthmatischen Beschwerden in Kombination mit anderen entzündungshemmenden Arzneimitteln. Ketotifen wird innerlich in Form von Tabletten, Hartkapseln oder Sirup (für Kleinkinder ab einem Alter von 6 Monaten) und äußerlich in Form von Augentropfen zur Behandlung allergischer Bindehautentzündungen verwendet.

Eine Studie über die Wirkung von Ketotifen zur vorbeugenden Behandlung von Cluster-Kopfschmerz wurde 1984 publiziert.[1] Das Medikament könnte eine positive Wirkung zur Behandlung der Symptome des Reizdarmsyndroms haben.[2] Die Wirksamkeit von Ketotifen zur Behandlung der Fibromyalgie wird in einer kontrollierten Studie untersucht, Ergebnisse dazu liegen noch nicht vor (Stand Juni 2013).[3]

Pharmakologische Eigenschaften

 
Strukturformel Ketotifen

Ketotifen ist ein trizyklisches Benzocycloheptathiophen-Derivat, das strukturell mit dem in Deutschland nicht mehr im Handel erhältlichen Pizotifen verwandt ist.[4] Pizotifen wurde unter anderem zur vorbeugenden Behandlung der Migräne und von Cluster-Kopfschmerz eingesetzt und wurde in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie von 2012 unter „andere therapeutische Optionen und Einzelfallbeschreibungen“ zur vorbeugenden Behandlung von Cluster-Kopfschmerz genannt.[5]

Ketotifen zeigt eine Aktivität als Antihistaminikum mit einer starken Selektivität für Histamin-H1-Rezeptoren sowie schwache anticholinerge Wirkungen. Als weitere Eigenschaften wurden unter anderem nachgewiesen:

Ketotifen wird nach oraler Gabe zu über 80% resorbiert. Wegen des First-pass-Effekts liegt die Bioverfügbarkeit bei etwa 50%. Maximale Plasmaspiegel werden nach 2 bis 4 Stunden erreicht, die Plasmahalbwertszeit liegt bei 20 Stunden. Der therapeutische Plasmaspiegel beträgt 1-4 µg/ml, die Proteinbindung ca. 75%. Ketotifen passiert die Blut-Hirn-Schranke und die Plazentaschranke und geht in die Muttermilch über.

Ketotifen hat keine therapeutische Wirkung auf den akuten Anfall von Asthma bronchiale. Die volle Wirksamkeit zur Vorbeugung von asthmatischen Beschwerden tritt erst nach 8 bis 12 Wochen ein. Die Wirkung einer Einzeldosis hält bis zu 12 Stunden an. Das Medikament soll nicht abrupt abgesetzt werden, sondern allmählich über einen Zeitraum von 2 bis 4 Wochen, da ansonsten die zuvor bestehenden allergischen oder asthmatischen Beschwerden verstärkt wieder auftreten können.

Behandlung von Cluster-Kopfschmerz

1983 berichtete eine polnische Arbeitsgruppe über die vorbeugende Behandlung von Cluster-Kopfschmerz mit Ketotifen, nachfolgend (übersetzte) Auszüge aus der Arbeit:[1]

„Basierend auf früheren Beobachtungen zur Histamin-Freisetzung bei Cluster-Kopfschmerz wurde Ketotifen 15 Patienten gegeben, die an einer chronischen Form dieser Erkrankung litten. Der Wirkstoff zeigt eine Mastzellmembran stabilisierende Wirkung, die sich bei der Behandlung von Asthma bronchiale bewährt hat. Ketotifen wurde in der Dosierung von 1mg dreimal täglich für 8 Wochen verabreicht. Vollständige Remission wurde bei 8 Patienten erreicht. Eine deutliche Verbesserung wurde in 2 Fällen, eine moderate Verbesserung in 3, und eine leichte Verbesserung in 2 Fällen festgestellt.“

„Ketotifen wurde 15 männlichen Patienten im Alter von 30 bis 57 Jahren, mit einer Dauer der Cluster-Kopfschmerzen von 2 bis 30 Jahren verabreicht. Bei sieben der Patienten wurde die primäre chronische und in 8 Fällen die sekundäre Form der chronischen Cluster-Kopfschmerzen diagnostiziert. Die Behandlung wurde unter Verwendung einer einfachblinden Methode durchgeführt.“

„Zunächst erhielten die Patienten Placebo-Tabletten dreimal täglich für eine Woche und dann Ketotifen in der Dosierung von 1mg dreimal täglich für 8 Wochen. Sie wussten, dass sie mit einem neuen Medikament behandelt wurden, wussten aber nicht, dass sie Placebo bekamen. Sie notierte selber die tägliche Anzahl der Kopfschmerzattacken. Die Anzahl und der Charakter der Attacken wurden jede Woche durch den Arzt aufgezeichnet.“

„Eine vollständige Remission wurde bei 8 Patienten ... erreicht. Eine erhebliche Verbesserung, d.h. eine Abnahme der Zahl der Attacken auf einzelne, in der Regel milde Episoden von Schmerzen, die ein paar Mal pro Woche auftraten, wurde bei 2 Patienten beobachtet. Ein offensichtliche, wenn auch nicht so sehr deutliche Verbesserung wurde bei 3 Patienten festgestellt. Nur bei 2 Personen waren die Ergebnisse schlecht.“

„In der großen Mehrheit der Patienten wurde in der ersten Woche der Behandlung Verbesserung beobachtet, mit allmählichen weiteren Fortschritten im Laufe der 8 Wochen der Ketotifen-Therapie. Bei 3 Patienten änderte sich die in der ersten Woche aufgetretene verminderte Häufigkeit der Attacken in den späteren Wochen der Behandlung nicht. Die während der 8 Wochen der Ketotifen Verabreichung erreichte Verbesserung wurde in den folgenden 8 Wochen nach dem Absetzen des Arzneimittels erhalten.“

Risiken und Nebenwirkungen

Ketotifen kann auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen so weit verändern, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen oder zum Arbeiten ohne sicheren Halt beeinträchtigt wird. Dies gilt in verstärktem Maße im Zusammenwirken mit Alkohol und Arzneimitteln, die ihrerseits das Reaktionsvermögen beeinträchtigen können.

Während der Behandlung mit Ketotifen kann es zu Müdigkeit, Mundtrockenheit, Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerzen kommen. Mit zunehmender Behandlungsdauer können diese Nebenwirkungen weitgehend abklingen. Zudem ist eine Gewichtszunahme infolge Appetitsteigerung möglich. In seltenen Fällen können, bevorzugt bei Kindern, zentralnervöse Störungen wie z.B. Unruhe, Aggressivität, Verwirrtheit, Schlafstörungen und Nervosität, auftreten. Vereinzelt wurden ein allergisch bedingter Hautausschlag (Exanthem) und sogenannte Nesselsucht beobachtet. In seltenen Fällen wurde über eine Blasenentzündung (Zystitis) im Zusammenhang mit der Ketotifen-Gabe berichtet. In sehr seltenen Fällen kann Ketotifen zu einem Anstieg der Leberwerte und zu einer Hepatitis führen. Über schwere Hautreaktionen (Erythema multiforme, Stevens-Johnson-Syndrom) wurde in Einzelfällen berichtet. In sehr seltenen Fällen wurde während einer Behandlung mit Ketotifen über Krampfanfälle berichtet. Da Ketotifen die Krampfschwelle herabsetzen kann, sollte es mit Vorsicht bei Patienten mit Epilepsie in der Krankengeschichte verwendet werden. Weitere Hinweise zu möglichen unerwünschten Wirkungen, Wechselwirkungen, Gegenanzeigen, Unverträglichkeiten sowie Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung enthalten die Gebrauchs- und Fachinformationen der Hersteller.

Literatur

  • Grahnén, A.; Lönnebo, A.; Beck, O.; Eckernäs, SA.; Dahlström, B.; Lindström, B. (May 1992). "Pharmacokinetics of ketotifen after oral administration to healthy male subjects.". Biopharm Drug Dispos 13 (4): 255-62. doi:10.1002/bdd.2510130404. PMID 1600111. 
  • Martin, U.; Römer, D. (1978). "The pharmacological properties of a new, orally active antianaphylactic compound: ketotifen, a benzocycloheptathiophene.". Arzneimittelforschung 28 (5): 770-82. PMID 35171. 
  • Galeotti, N.; Ghelardini, C.; Zoppi, M.; Del Bene, E.; Raimondi, L.; Beneforti, E.; Bartolini, A. (Feb 2001). "Hypofunctionality of Gi proteins as aetiopathogenic mechanism for migraine and cluster headache.". Cephalalgia 21 (1): 38-45. doi:10.1046/j.1468-2982.2001.00142.x. PMID 11298662. 

Externe Links

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Split, W.; Szmidt, M.; Prusiński, A.; Rozniecki, J. (May 1984). "Ketotifen in the treatment of chronic cluster headache.". Headache 24 (3): 147-9. doi:10.1111/j.1526-4610.1984.hed2403147.x. PMID 6203873. 
  2. Klooker, TK; Braak, B; Koopman, KE; Welting, O; Wouters, MM; Van Der Heide, S; Schemann, M; Bischoff, SC; et al. (2010). "The mast cell stabiliser ketotifen decreases visceral hypersensitivity and improves intestinal symptoms in patients with irritable bowel syndrome". Gut 59 (9): 1213–21. doi:10.1136/gut.2010.213108. PMID 20650926. 
  3. http://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT01553318
  4. http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Ketotifen - abgerufen 15.06.2013.
  5. Hans-Christoph Diener, Christian Weimar (Herausgeber): Clusterkopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen. In: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Herausgegeben von der Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Österreichischen Gesellschaft für Neurologie und Schweizerischen Neurologischen Gesellschaft. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 5. überarb. Auflage 2012; Seiten 681-7; ISBN 3131324155